Die Eichenallee von Seefeld-Wessling

Allee
Foto: Wolfgang Alexander Bajohr
Bayern
Lieblingsallee von Wolfgang Alexander Bajohr, Gilching:

Graf Anton Clemens zu Toerring-Seefeld hat im Jahr 1770 die 765 Eichen setzen lassen. Diese Allee ist heute ein bemerkenswertes Biotop und Naturdenkmal. Graf Anton Clemens hatte als Zweitgeborener 1725 das Familienerbe angetreten und blieb bis zum Jahre 1812 der Chef des Hauses. Er war in jeder Hinsicht ein bemerkenswerter Schlossherr und als weit gereister Landwirtschaftsexperte Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Graf Anton Clemens war aber wohl auch oft bei den Nachbarn in Brandenburg, Mecklenburg und Ostpreußen, wo er den Zauber der Alleen kennen und lieben lernte. Doch hier ist diese Eichenallee von Seefeld nach Gut Delling bei Wessling mit 4,7 km Länge in Bayern die einzige ihrer Art geblieben.

Weitsichtig geplant mit 15 m Breite, ist sie auch der heutigen Zeit noch gewachsen. In der Hauptallee sind es 556 Stieleichen und zusammen mit den kleinen Seitenalleen bei Delling insgesamt 765 Bäume. Die wahre Pracht dieser Allee hat ihr Schöpfer Graf Toerring wohl vorausgesehen, aber nicht mehr erlebt. Doch ist anzunehmen, dass gleich mehrjährige Bäume gepflanzt wurden und nicht einzelne Eicheln in den Boden gesteckt wurden. Denn nur die mehrjährigen Heister waren den Rehen und Hirschen schon aus dem Äser hinausgewachsen. Gemessen an den 19.000 km Straßen und Wegen, die von Bäumen in ganz Deutschland gesäumt sind, nimmt sich die kurze Strecke zwischen Seefeld und dem einstigen Vorwerk-Gut Delling bescheiden aus. Doch ist diese Allee im Einzugsbereich von München ein bemerkenswertes Naturdenkmal, Nistplatz, Rastplatz und Nahrungsspender für viele Tiere.

Irgendwann ist auch in der Eichen-Allee zwischen Seefeld und Wessling die Strasse ausgebaut worden. Das Kopfsteinpflaster wurde entfernt und der Sommerweg ebenfalls. Heute verläuft die Rennpiste aus Asphalt in der Mitte. Dennoch wirkt sie fast bescheiden zwischen den einstmals großzügig gepflanzten Baumreihen. Was noch fehlt, der Fahrradweg daneben, entsteht gerade. Doch droht der Allee das wachsende Alter, und ein Gespenst war stets die Verkehrssicherungspflicht. Darum hat man wohl seit ihrem Bestehen an den mächtigen Eichen beständig herumgesägt und neben jedem dürren Ast auch bedrohlich scheinende herausgenommen. Man versäumte aber anschließend Balsam auf die Wunden der Bäume zu streichen. So haben denn Pilze und die Larven der großen Käfer, wie auch jene des Hirschkäfers zu nagen begonnen und viele der mächtig gewordenen Eichen wurden hohl gefressen und waren mit Mull gefüllt anstatt mit Kernholz. Eine Daueraufgabe für Baum-Restauratoren und Baum-Doktoren ist daraus geworden. Die haben schließlich den Mull herausgekratzt. Das wiederum ist trotz Stahlbändern auf Kosten der Stabilität gegangen. Denn bei jedem größeren Sturm brechen trotz Verkehrssicherung Äste, ja es brechen ganze Stämme von oben bis zur Wurzel auseinander. Es stimmt traurig, die mächtigen Stämme dahinsiechen zu sehen. Aber auch dieses Denkmal, diese wunderschöne Eichenallee ist vergänglich. Um sie lebendig zu erhalten, werden immer wieder starke junge Ersatzbäume dazwischen gepflanzt. Für unser Straßenbauamt eine Daueraufgabe, die kostspielig ist, aber die Allee am Leben bleiben lässt.

Früher füllte man die Aushöhlungen mit Plomben aus Beton. Heute bleiben sie ohne, denn mit Ausfüllungen geht der Zerfall noch schneller. In mancher dieser Höhlungen hausen den Sommer über die Fledermäuse. Weiter oben hören wir am Abend den Waldkauz aus den mächtigen Baumkronen rufen. In manchem Baum horstet auch ein Bussard, oder die Rabenkrähe und auch Elstern. Da zwitschern Heckenbraunelle, Rotkehlchen, Dorngrasmücke und Neuntöter. Mindestens so wichtig wie die Bäume selbst sind auch die breiten grün bewachsenen Randstreifen, auf denen niemand fährt. Am Fuße manches Stammes hat wohl auch die Straßenbauverwaltung einen Steinhaufen aufgeschüttet, in dem die Mäuse und auch deren Fressfeind, das Hermelin leben. Der Igel ist wohl dort auch zuweilen, obwohl er am Rande der Strasse sehr gefährdet lebt.

Wie sieht es nun mit dem Naturerbe Bayerische Kulturlandschaft aus? Will man die Bodenfruchtbarkeit für kommende Generationen bewahren, die Reinheit des Wassers sichern und auch die einstige Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren in der Kulturlandschaft flächendeckend erhalten, kommt man um Windschutz nicht herum, also auch nicht um Hecke und Baumallee. Auf den Flächen der Straßenverwaltung könnten im ganzen Land weitere Baumalleen entstehen. Da braucht man nicht einmal mehr die ehedem leibeigenen Bauern zu malträtieren. Die Baumallee soll mehr sein als nur Schattenspender oder ein Naturdenkmal, obwohl jeder Einzelne dieser ehrwürdigen Bäume als klassischer Solitärbaum gelten kann. Erst in der Summe vieler Bäume wird eine Allee daraus. Es müssen ja nicht gleich überall Eichen sein. Die lange Umtriebszeit macht es nötig, auch über andere Baumarten nachzudenken. Denn es gibt noch viele Gehölze die geeignet wären. Als man die 274 Baumarten auf Eignung prüfte, zeigte sich dass 3/4 der von Vögeln bevorzugten Arten aus Europa stammen, und bei den Exoten von ihnen über die Hälfte abgelehnt wird. An den Eichen-, Weiden- und Birkengehölzen leben über 200 Insektenarten, von denen viele gefährdet sind. Von den 28 Käferarten sind 7 zwingend, 6 schwerpunktmäßig auf Eichen angewiesen. Alleen sollen also auch Heimat sein für heimische Tiere, Raststätte oder Wirtshaus zugleich. Sie sollen helfen, das Klima auszugleichen, Wind und Stürme zu bremsen, auch wenn sie im Einzelfall zu Bruch dabei gehen.

Alleen filtern Staub und Abgase aus der Luft und reinigen sie von Schadstoffen. Jeder einzelne Baum wandelt als Klimaschutz soviel Kohlenmonoxyd an jedem einzelnen Tag um, dass das den Sauerstoffbedarf von 10 Menschen für ein ganzes Jahr bedeutet. Alleen können bis zu 70 % der so sehr kritisierten Feinstäube aus der Luft herausfiltern. Jeder einzelne Baum beseitigt pro Jahr eine volle Tonne Feinstaub. Alleen liefern mehr als nur Schatten, sie bilden mit ihrer schattigen Kühle ein eigenes kleines Biotop und damit ein eigenes Kleinklima. Bis zu 60 Vogelarten können von der Allee profitieren. Alleen sind unersetzbarer Lebensraum und die grünen Adern jeder Landschaft. Der Gedanke noch mehr Alleen zu pflanzen, die Idee von Graf Clemens Anton von Toerring-Seefeld lohnt weitergetragen zu werden, als Kulturerbe. Platz gibt es genug und finanzieren könnte man es aus der Mineralölsteuer, wo Geld genug vorhanden ist. Alleen sind Landschaftsbrücken der Natur in unserer durch Strassen viel zu stark vernetzte Landschaft.

Lesen Sie mehr unter www.natur-5seenland.de.

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